Märchen, Mythen, Magdalena
Gäbe es eine Auszeichnung «Neueröffnung des Jahres 2020», das Restaurant Magdalena im schwyzerischen Rickenbach wäre Top-Kandidat: Märchenhaft die Entstehung. Himmlisch die Küche. Mythisch das Gesamterlebnis.
Es waren einmal … zwei schwyzer Schulbuben. Unzertrennlich. Kein Blatt Papier passte zwischen sie. Über ihnen thronten die verschneiten Gipfel der Mythen. Und diese schickten ihnen eines Nachts eine Botschaft. Den Traum vom eigenen Restaurant. Am Fuss der Berge. Mitten im Dorf. Das Beste am Platz. Mit dem feinsten Essen. Der schönsten Aussicht. Und der anziehendsten Atmosphäre.
Jede Nacht kam er wieder, der Traum, bis sie ihn durchzogen, die beiden Freunde Dominik Hartmann und Marco Appert. Unbeirrbar. Unerschrocken. Und mit genauso wenig Umwegen wie nötig. Zusammen machten sie eine Kochlehre. Gemeinsam absolvierten sie die Zusatzausbildung zum Konditor. Danach gingen sie getrennte Wege. Um sich später – Indianerehrenwort – wieder zu treffen. Spätestens im gemeinsamen Betrieb.
Dominik bildete sich in den besten Küchen der Schweiz weiter. Machte eine Wintersaison in der Pâtisserie im Tschuggen Arosa, wurde Chef-Pâtissier von Andreas Caminada im Schauenstein. Wechselte schliesslich als Sous Chef ins Equitable zu Fabian Fuchs. Auch Marco arbeitete zunächst in einer Top-Küche weiter. Im Cervo in Zermatt. Danach wechselte er an die Hotelfachschule Luzern und liess sich dort entführen in das Universum der Hotellerie (sein Rezeptionspraktikum führte ihn nach Ascona ins Eden Roc), die Welt der Weine und der betriebswirtschaftlichen Künste.
Vom Duo zum Trio
Irgendwann hatte sich Adriana hinzugesellt. Auch sie aus dem Städtchen. Keck, neugierig und mit Hang zur Kunst. Und zu Dominik. Oder er zu ihr. An den Hängen der Mythen trafen sich ihre Blicke. Später die Hände. Die Zeit verflog und machte kühnen beruflichen Sprüngen Platz. Nachdem Adriana ihren Bachelor of Arts abgeschlossen hatte, zog es sie magnetgleich zu Dominik, der bereits auf kulinarischer Wanderschaft war.
Andreas Caminada himself gab Adriana die Möglichkeit, sich als Quereinsteigerin im Service zu beweisen. Sie bestand mit Bravour und bediente anschliessend sowohl im Schauenstein als auch im Igniv die illustren Gäste. Längst hatte sich Adriana von Dominiks Traum anstecken lassen. Inzwischen waren die beiden verheiratet. Und auch die Geburt von Söhnchen Ameo konnte sie (und auch ihn) nicht davon abbringen, als Gastgeberin mitzuwirken im eigenen Betrieb.
Caminadas gaben wertvolle Tipps
Denn zuvor hatte sich eine einmalige Chance aufgetan: Im Nachbardsdorf Rickenbach sollte im Zuge eines grossen Immobilienprojekts ein Restaurant «wiederbelebt» werden, das seit dem Tod der früheren Besitzerin geschlossen war. Der Erbe – gleichzeitig auch Bauherr des Gesamtprojektes – bat die drei jungen Gastronomen um die Ausarbeitung eines Business Plans. Einzige Bedingung: Magdalena sollte es heissen, wie zuvor. Alles andere durfte neu sein. Bei der Konzeption fanden sie namhafte Unterstützung in Sarah und Andreas Caminada, mit denen sie ihre Ideen diskutierten und die ihnen wertvolle Tipps für das heutige Konzept gaben.
Aufgrund der Lage ist ein Spagat notwendig: Einerseits sollen Arbeiter aus der Region über Mittag zu ortsüblichen Preisen essen können. Abends geht es hingegen um Fine Dining. Während also zum Lunch ein einfaches Drei-Gang-Menü mit Pfiff für maximal 30 Franken oder ein klassisches Tellergericht aufgetischt wird, erwartet die Gäste am Abend ein raffiniertes Überraschungsmenü. Dieses kann wahlweise als Dreigänger für 70 Franken (110 Franken mit Weinbegleitung), Fünfgänger für 95 (155) Franken oder als kompletter Siebengänger für 120 (200) Franken bestellt werden. Selbstverständlich gibt es abends auch ein A-la-carte-Angebot.
Preispolitik nimmt Rücksicht auf die lokalen Empfindungen
Sind die Preise im regionalen Kontext über Mittag an der oberen Grenze, bewegen sie sich abends auf einem Niveau, das schweizweit wohl einmalig ist. Einzigartig günstig notabene, vor allem im Vergleich mit den urbanen Ballungszentren. Und dies ganz bewusst, wie Dominik Hartmann einem Fachmagazin verriet:
Ziel sei es, die Leute aus der Region anzuziehen. Dafür seien seine beruflichen Stationen sowie die Unterstützung durch Andreas Caminada leider nur bedingt von Vorteil. Denn viele Einheimische würden allein schon beim Klang von dessen Namen davon ausgehen, dass sie sich einen Abend im Magdalena nicht leisten können. Doch diese Furcht ist komplett unbegründet. Die Preise sind angesichts der Produktequalität und dem Aufwand bei der Zubereitung mehr als nur fair, und abends ist das Essen nicht teurer als in jedem gutbürgerlichen Gasthaus.
Fazit: Wer einmal im Restaurant Magdalena gegessen hat, wird es wieder tun. Die Küche ist hinreissend und rundum eigenständig – trotz (oder wohl gerade wegen) dem Anleihen-Mix des Küchenchefs aus seiner Caminada-Zeit und dem nordisch geprägten Equitable. Die Balance aus gesunder Ernährung und Hochgenuss ist beeindruckend. Die Produkte sind selbstverständlich saisonal und stammen, wo immer möglich, aus der näheren Umgebung. Und die Essenz der Zutaten ist so klar herausgearbeitet wie ganz selten in der Schweiz.
Mit grösster Wahrscheinlichkeit wird man wohl auch in Zukunft noch manches hören von diesem wagemutigen Trio aus Schwyz, das einst als Duo einen Traum empfing und diesen nun – mit etwas Verspätung – an den steilen Hängen der Mythen mit viel Herz und Verstand (aus-)leben darf. Prädikat: Unbedingt weiter zu empfehlen (sofern die Empathie über den Egoismus obsiegt…).
Weitere Informationen zum Restaurant Magdalena, zur Speisekarte und für Tischreservationen finden Sie unter https://www.restaurant-magdalena.ch.
Text: Philipp Bitzer
Bilder: Digitale Massarbeit https://digitalemassarbeit.ch/
Vorfreude auf den Neuanfang
Mehr Pech bei einer Neueröffngung kann man fast gar nicht haben als Adriana und Dominik Hartmann und Marco Appert: Als sie Mitte März die Pforten ihres neuen Restaurant Magdalena in Rickenbach für das grosse Publikum öffnen wollten, machte ihnen Covid-19 einen dicken Strich durch die Rechnung: Am von langer Hand geplanten Tag der offenen Türe hätten sich maximal 50 Personen im Gebäude aufhalten dürfen (inklusive dem ganzen Magdalena-Team). Gerechnet hatten sie mit fünfmal so vielen Leuten. So entschlossen sie sich schweren Herzens, den Anlass zu canceln. Und drei Tage später, als sie ihre ersten regulären Gäste begrüssen wollten, folgte der komplette Lockdown, verbunden mit der behördlich vorgeschriebenen Betriebsschliessung.
«Es war ein Schock», meint Gastgeberin Adriana Hartmann im Rückblick, «und am Anfang auch ziemlich demotivierend.» Aber sie hätten das Beste daraus gemacht, viele Arbeiten nachgeholt, die im Eröffnungsstress liegen geblieben seien. «Wir haben uns auch lange überlegt, ob wir einen Lieferdienst aufziehen sollten, wie das ja viele Kollegen gemacht haben. Aber wir haben uns schliesslich dagegen entschieden, weil wir nichts auf die Schnelle herunterbrechen wollten.»
So hatten Hartmanns unerwartet viel Zeit, die noch junge Familie zu geniessen. Und erledigten zusammen mit Partner Marco Appert und dem Team alle notwendigen Arbeiten für die Umsetzung des Gastro-Schutzkonzeptes und die nun bevorstehende «Zweit-Eröffnung». Dabei haben die «Magdalener» für einmal etwas mehr Glück, denn sie können neben der Gaststube auch das historische Martha-Stübli (benannt nach der vorherigen Wirtin, Anm. der Red.) sowie die Weinstube im Untergeschoss für die Bewirtung der Gäste nutzen.
Dadurch hat das Magdalena auch ohne Trennwände «bloss» 10 Plätze weniger zur Verfügung als von Anfang an geplant, weshalb nun die ursprünglich vorgesehenen Öffnungszeiten (Montag, Donnerstag bis Sonntag, jeweils von 12 bis 14 und ab 18.30 Uhr; ausserdem an Samstagen und Sonntagen Kaffee und Kuchen im Café von 13 bis 17 Uhr) auch in Zeiten von Corona beibehalten werden können.
Los gehts übrigens bereits am 11. Mai mit einem abendlichen Überraschungsmenü. «Dann sind wir bereits komplett ausverkauft», freut sich Adriana Hartmann auf den Neustart. «Und ab Donnerstag schauen wir dann vorzu, wie sich die Situation entwickelt.»
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