«Da, wo ich hinwollte»

Jérémy Desbraux führt im jurassischen Niemandsland mit seiner Partnerin das Zweisternerestaurant Maison Wenger. Er weiss, wie er Gäste von weit her anlockt.

Hätten Sie Lust, in der Küche zu essen?» Was viele aus der Kindheit von zu Hause noch als Strafe («Benimm dich am Tisch, sonst isst du in der Küche!») kennen, ist in der Spitzengastronomie ein exklusives Erlebnis. Das bietet neu auch die Maison Wenger an. Vier Monate bauten Jérémy Desbraux und Anaëlle Roze den Betrieb um, jetzt strahlt das Haus frischer und heller denn je. Ein Darlehen der jurassischen Luxusuhrenmanufaktur Richard Mille machte es möglich. Und während an den acht Hotelzimmern noch bis September gewerkelt wird, dürfen Gourmets schon jetzt an einem Platz im stilvollen Gastraum oder eben am Chef’s Table in der Küche Platz nehmen. An Letzterem allerdings unter einer Bedingung: Hier bestimmt Zweisternechef Desbraux das Menü.
Jérémy Desbraux, der grosse Umbau als klares Bekenntnis zum Standort?
Ja, unser Projekt ist auf lange Sicht hinaus gedacht. Ich habe nicht vor, von hier wegzugehen.
Sie hätten es sich bestimmt einfacher machen können, als nach Le Noirmont zu ziehen. Weshalb dieser Schritt ins Niemandsland?
Nein, ich sehe es vielmehr so: Die Gelegenheit war gut. Alle Voraussetzungen waren gegeben, um einen guten Start hinzulegen.
1957 Seelen zählt Le Noirmont. Der Kanton Jura gilt als der ressourcenschwächste und ärmste des Landes. Man muss sich schon sehr bewusst in die Gemeinde verirren, die 1944 – vermutlich irrtümlich – von der US-Luftwaffe bombardiert wurde. 38 Jahre schrieben hier Georges und Andrea Wenger ihre Erfolgsgeschichte, 1997 krönte der Gault Millau Wenger zum Koch des Jahres. Vor sechs Jahren übergab das Paar den Betrieb an Desbraux, die damalige Nummer 2 des Restaurants de l’Hôtel de Ville in Crissier unter Franck Giovannini.
Welchen Tipp hat Ihnen Georges Wenger mit auf den Weg gegeben?
Keine Angst vor dem Unternehmertum zu haben, und zwar auch nicht in schwierigen Zeiten.
Was braucht es, um Gäste nach Le Noirmont zu bringen?
Wir müssen ihnen ein neuartiges gastronomisches Erlebnis bieten, Gerichte, die sie sonst nirgends finden.
Das Menü startet mit fein gedünstetem Lauch an Hanföl und einer eleganten Vinaigrette. Nach dem gefühlvollen Einstieg folgt ein keckes, brillantes Gericht: karamellisierte Jakobsmuschel aus der Normandie an vegetarischer Jus aus fermentiertem Rotkohl. Tolles Produkt, spannende Kombination, technisch astrein. Stets auf der Karte steht das Überraschungsei. Diesmal an Kräuterseitlingen und guter Würze.
Sie starteten mit viel Einfluss aus Ihrer Zeit in Crissier, gepaart mit der Tradition der Maison Wenger. Wo befinden Sie sich derzeit auf Ihrem eigenen Weg?
Jetzt bin ich da, wo ich hinwollte. Die Küche ist mittlerweile meine ganz persönliche. Tief verankert im jurassischen Terroir, gepaart mit den Erfahrungen, die ich bei meinen früheren Chefs machen durfte.
Lesen Sie weiter und erfahren Sie, wie Jérémy Desbraux seine Lehrjahre bei Violier, Pic und Rabaey geprägt haben, warum er auf Regionalität schwört und wie er das berufliche vom privaten trennt. Das ganze Gespräch finden Sie im aktuellen marmite Magazin.
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