Die Schweiz liebt, was er kocht

5. Juni 2025

Es gibt wohl niemanden in der Schweiz, dem so viele Menschen beim Kochen zusehen, wie Noah Bachofen. Wir haben ihn zu Hause in Rapperswil besucht und für einmal eine Privatvorführung genossen.

Das wichtigste Gerät in Noah Bachofens Küche ist schwarz und sieht aus wie eine Kaffeemaschine aus der Zukunft. «Eine super Anschaffung. Sie macht aus Milchpulver und Wasser innert Sekunden den perfekten Schoppen für unsere einjährige Tochter. Sogar die Temperatur kann man genau eingeben», sagt unser Gastgeber und gibt lachend zu: «Ich habe mir selbst auch schon mal einen Schoppen gemacht, als ich eine schnell zubereitete Stärkung für unterwegs brauchte.» Für uns gibt’s zum Glück nicht nur Flüssignahrung.  Bachofen, mit fast 170 000 Instagram-Followern der erfolgreichste Food-Influencer der Schweiz, bereitet einen vegetarischen Dreigänger zu. Als Vorspeise gibt es geschmorten Kabis mit Biersauce und knackig-frischen Kabissalat, als Hauptgang Weissweinrisotto mit Cime di rapa und Kräuterfrischkäse, als Dessert Bananenbrot mit Mohn in Raketenform.

«In letzter Zeit backe ich vermehrt für Kinder, deshalb diese Förmchen. Das Rezept funktioniert aber natürlich auch mit ganz gewöhnlichen Muffinformen», erklärt Noah Bachofen, der zwar gelernter Koch ist, sich privat aber noch lieber dem Backen widmet. Und so trägt das Buch, das in seiner Küche die grössten Gebrauchsspuren offenbart, den Titel «Die Kunst der Pâtisserie». «Von Croquembouche, einer Pyramide aus karamellisierten Windbeuteln, bis zu Macarons habe ich daraus schon ziemlich alles gemacht», erzählt Bachofen.

Seit ein paar Monaten darf sich der frühere Souschef des vegetarischen 2-Sterne-Restaurants Magdalena auch Bestsellerautor nennen. Kein Schweizer Buch verkaufte sich im Oktober besser als sein Erstling «Wäärli guät», im November landete er auf Rang 2 der Charts. Mit fantasievollen, fast immer vegetarischen Rezepten, die auch für ungeübte Hobby-Chefs gut umsetzbar sind, hat Bachofen genau den Nerv des Publikums getroffen. «Bald geht das Buch in die dritte Auflage, das ist schon krass», sagt er. «Die Lesungen, die ich zusammen mit meinem Podcast-Partner Nico Franzoni gemacht habe, waren ruckzuck ausverkauft, in Bern genauso wie in Zürich.» Am emotionalsten war für Bachofen aber die Lesung in Glarus. «Ich traf dort einen meiner besten Primarschulfreunde wieder, dessen Freundin mir auf Instagram folgt und alle meine Rezepte nachkocht. Wir haben uns damals aus den Augen verloren, weil seine Eltern mich für einen schlechten Umgang hielten. Fairerweise muss ich sagen, dass ich zu dieser Zeit wirklich nur Unfug im Kopf hatte.»Der Noah Bachofen aus dem Jahr 2025 ist ganz anders: freundlich, zielstrebig und gelassen. Ein wenig nervös wird er nur, wenn die Schwiegereltern zu Besuch kommen. 

«Dann möchte ich mir beim Kochen keine Blösse geben und setze auf Kalbskopfbäggli oder andere Schmorgerichte. Sonst koche ich für Gäste meist etwas, das ich noch nie zuvor zubereitet habe. Ich liebe die Abwechslung und muss ja auch meinem Ruf als kreativer Influencer gerecht werden», sagt er und lacht. Und was ist das Lieblingsessen von Bachofens Frau Michelle? Der Koch muss überlegen. Dann ruft er: «Michelle, was schmeckt dir am besten? Omeletts mit Hackfleisch, oder?» «Genau, kannst du gerne bald wieder einmal machen», schallt es aus dem Wohnzimmer zurück. «Wenn wir nicht zu faul zum Kochen sind und uns eine Pizza bestellen, bin ich in 70 Prozent der Fälle für das Essen zuständig», erklärt Bachofen. «Michelle kocht aber auch ganz gut, ihren Flammkuchen mag ich sehr.»

Im Januar standen unser Gastgeber und seine Frau nur selten in der  Küche. «Wir haben uns nach den kalorienreichen Festtagen eine Diät verordnet. Abends gab es nur noch eine Bouillon. Das war gerade am Anfang ziemlich hart», erzählt er. Mittlerweile ist die Vorspeise bereit, und wir staunen, was man aus einem bescheidenen Kabis alles herausholen kann. Geduldig schmoren, genügend Butter und ein gehaltvoller, wenn möglich hausgemachter Gemüsefond seien das Geheimnis, sagt Bachofen.

Nachdem alle Teller leer geputzt sind, machen wir uns auf einen kleinen Rundgang durch die lichtdurchflutete Neubauwohnung von Noah und Michelle Bachofen. Der Lieblingsplatz des Hausherrn ist ein breiter Lederstuhl im Wohnzimmer. Auch auf dem braunen Ledersofa sitzt er gerne, auf dem gelben aus Stoff weniger. «Michelle hat die Möbel so angeordnet, dass man sich gut unterhalten kann. Auf einen Fernseher haben wir bewusst verzichtet. Wenn wir einen Film schauen möchten, können wir aber den Beamer anwerfen und das Wohnzimmer in ein Privatkino verwandeln», erzählt unser Gastgeber. Dass er den Lederstuhl bevorzugt, ist übrigens auch seiner Nichte aufgefallen. Sie setzte sich bei ihrem letzten Besuch ständig darauf und hoffte, dass ihr Onkel sich darüber ärgern würde.

Derzeit ist das Wohnzimmer der Bachofens in erster Linie ein Spielzimmer. Überall stehen Spielsachen der Tochter von Noah und Michelle herum. Unter anderem eine Soundbox, die Kinderlieder des Bündners Linard Bardill spielt, sobald man ein Figürchen auf sie stellt. An prominenter Stelle steht eine Spielzeugküche mit Herd und Backofen, ein Geschenk von Michelles Eltern.«Wollen wir uns an den Hauptgang machen?», fragt Noah Bachofen, und wir folgen ihm gerne zurück in die Küche. Bald schon duftet es wunderbar nach Weisswein, der in der Risottopfanne verdampft. Der Hausherr wählt einen Pinot Gris Orange vom Weingut Davaz in der Bündner Herrschaft, an dessen Entwicklung er beteiligt war. «Man soll auch zum Kochen guten Wein verwenden – und sich gleich ein Gläschen einschenken», bemerkt er. Wieder und wieder giesst er Bouillon in den Topf und rührt fleissig, bis der Risotto schön schlotzig ist – oder wie man auf Italienisch sagt: all’onda. Fehlen nur noch die universelle Zauberzutat Butter und geriebener Hartkäse. Statt Parmesan nimmt Bachofen für diese Variante Pecorino. Der stammt vom Schaf und besitzt besonders viel Charakter. Den Risotto richtet unser Gastgeber auf glattgestrichenem Kräuterfrischkäse an. Obendrauf kommt geschmorte Cima di rapa, italienischer Stängelkohl.

Zum Reiben des Pecorino greift Noah Bachofen zur Microplane. «Unverzichtbar für jede Küche. Dank der vielen, messerscharfen Zacken wird der Käse extrem fein. Leider ist meine Küche sonst nicht mehr so gut ausgestattet wie früher. Ich habe einen Grossteil der Geräte und Werkzeuge nach Glarus in mein Kochstudio transportiert, wo die Videos für meine Social-Media-Kanäle aufgenommen werden. Am meisten nervt mich, dass ich ständig vergesse, ein richtig grosses Schneidebrett für zu Hause zu kaufen. Da predige ich in meinem Buch, dass man so ein Brett unbedingt brauche, und muss jetzt Zwiebeln und Gemüse auf einem viel zu kleinen 08/15-Küchenbrett schneiden», sagt er.

Auf den Risotto folgt der zweite Teil der Wohnungsbesichtigung. «Ein ziemliches Durcheinander», entschuldigt sich Bachofen, als er uns sein Büro zeigt. Der Schreibtisch ist in eine Ecke gezwängt, umringt von zwei Kinderwägen und einem Wickeltisch. Die Prioritäten haben sich im letzten Jahr ganz offensichtlich verschoben.

Auf dem Tisch im Esszimmer liegt ein funkelnagelneues Tennisracket. «Den Schläger hat mir Nico Franzoni geschenkt. Er liebt diesen Sport und will mich motivieren, auch damit anzufangen. Zu meiner Schande hat es bis jetzt nur für ein paar Trockenübungen in der Wohnung gereicht. Um ehrlich zu sein, schäme ich mich mit einem so teuren Racket und so wenig Skills bei einem Tennislehrer aufzukreuzen», erklärt Bachofen und lässt den Tennis schläger in seiner Hand rotieren. Aber kochen und backen können, das sei ja auch etwas, sagt er und schiebt wenig später das Bananen brot mit Mohn in den Ofen. Bald schon duftet es in der ganzen Wohnung nach dem Dessert – und unsere Gedanken sind auf einmal ganz weit weg vom Tennis.

marmite 1/2025

Interview: Alex Kühn

Fotos: Boris Müller

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